Historisches Guckkastenbild "... Schlittenfahrt bey Nacht"

Hallo zusammen,

weiterhin angeregt durch das Weihnachtsevent im Forum "Die Kartonmodellbauer" habe ich mich entschlossen,
noch ein winterliches Projekt dranzuhängen.
Es handelt sich um den Reprint eines historischen Guckkastenbildes aus der Mitte des 18. Jahrhunderts,
herausgegeben vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart.
Der vollständige Titel des Bogens lautet "Presentation einer Masquirten Adelichen Schlittenfahrt bey Nacht".








Die Bauteile bestehen im Wesentlichen aus den verschiedenen, hintereinander angeordneten Kulissenebenen:








Eine Skizze als Bauanleitung fehlt auch nicht:




Leider waren die Bogen etwas ramponiert, wie sich vielleicht schon aus den bisherigen Bildern erkennen ließ.
Was also tun? Nun, ich habe die Bögen gebügelt. Ein gut ausgewrungenes Geschirrtuch aufs Bügelbrett gelegt,
Bogen drauf, Tuch umgeschlagen auf den Bogen drauf, mit milder Hitze und sanftem Druck gebügelt,
anschließend unter einem trockenen Geschirrtuch nochmals trocken gebügelt:










Das Papier ist anschließend zwar etwas gewellt, aber deutlich faltenfreier.
Hierbei handelt es sich allerdings um einen Offset-Druck.
Bei einem Tintenstrahldruck würde ich das vielleicht nicht machen...

...

...

Die größte Herausforderung beim Bau ist sicher das Ausschneiden bzw. -sticheln bei den einzelnen Kuliisen. Die Rückseiten habe ich mit Tonkarton verstärkt, um den Ausschnitten mehr Halt zu verleihen. Wäre nicht so schön, wenn die später zusammensinken.








Die Schnittkanten müssen natürlich noch kantengefärbt werden. Dafür werde ich ein neutrales Grau nehmen.

Die Schnippelei ging auch bei den folgenden Bildern weiter:










Wie hier zu sehen ist, schneide ich zuerst die geschlossenen, kleineren Flächen aus:










Zum Ausschneiden benutze ich die feine, spitze Klinge des "Martor Grafix"-Skalpells. Anschließend werden die Schnittkanten noch mit dem Falzbein geglättet.










Ein Bild ist noch auszuschneiden, dann geht es an die Montage der Bauteile. Vorher müssen aber immer noch die Kanten gefärbt werden...

Schöne Grüße
Andreas

Absolut sauber 'ausgestichelt', Andreas ...

So dermassen sauber, daß ich der Meinung bin, Du kannst Dir das Kantenfärben glatt sparen!

Kantenfärben würde die hauchfeinen Umrisslinien der alten Kupferstiche nur überbetonen
und damit die typische, homogene Wechselwirkung zwischen weißem Papiergrund
und grafischen Strukturen dann im optischen Zusammenspiel der Bildebenen nur stören ... ?

Hier müssen ja schließlich keine Falzkanten farbig 'kaschiert' werden;
die hintereinander gesetzten Ebenen sollen im Zusammenspiel
eben wieder ein Bild - nur eben mit 3D-Effekt - ergeben.
Gefärbte Kanten trennen den angestrebten Gesamteindruck nur störend wieder auf.

Gruß - Jörg -

Ich muss ehrlich sagen - das Bild gefällt mir bisher SEHR. Ich weiss - "Kantenfärben" ist ein Muss beim Bau von Kartonmodellen, aber hier stimme ich Jörg definitiv zu. Ich denke mal, die "Grenzen" zwischen den Ebenen würden verschwinden - und, der Charm dieses Kartonmodells etwas nachlassen - es sieht halt nicht mehr nach Karton aus!

Btw: ich habe erstmal nachgesehen, was ein "Falzbein" ist - sowas hätte ich gestern tatsächlich gebraucht.. Wieder was gelernt..

Hallo Jörg und Frank,

herzlichen Dank für die lobenden Worte. Es freut mich sehr, wenn es gefällt.

Jörg, ich werde mir die bereits ausgeschnittenen Bilder noch mal sehr genau anschauen und mir die Kantenfärberei oder auch nicht durch den Kopf gehen lassen. Danke für diese Rückmeldung!
Zur Verstärkung der Rückseiten hatte ich ja grauen Tonkarton verwendet, so dass tatsächlich nur die dünne, weisse Schnittlinie der bedruckten Bogenseite zu sehen ist. Die Gefahr, dass durch das Färben die Kanten überbetont werden, ist natürlich gegeben. Falls überhaupt, käme dann auch nur ein helles Grau in Frage. Aber mal schauen.

Frark, ein Falzbein ist ein hilfreiches Instrument, speziell natürlich im Kartonmodellbau. Wichtig ist nur, dass es aus Knochen hergestellt wurde, nicht aus Kunststoff. Das Knochenmaterial gleitet sehr gut über das Papier oder Karton hinweg, damit lässt sich wunderbar arbeiten.

Schöne Grüße
Andreas

Vielen Dank, Andreas, für die Vorstellung dieses schönen Guckkastens und den informativen Baubericht, den ich gerne weiterverfolgen werde, denn ab jetzt wird es ja erst richtig spannend, wenn sich die Kulissenwirkung der Teile entfaltet. Es macht immer wieder Freude, dir auf die Finger zu schauen und im Rahmen deiner Bauberichte auch etwas über historische Zusammenhänge zu erfahren. Die Genauigkeit deiner Arbeit bewundere ich einmal mehr...  Dient die Zieharmonika-Faltung der Seitenwände dazu, dass man das fertige Guckkastenbild auch zusammengefaltet, also flach aufbewahren kann? Gruß Michael (maxl)

Hallo Michael,

ich freue mich sehr, Dich virtuell hier mit dabei zu haben. Dann scheint es mit der schönen, neuen Digitalwelt doch und hoffentlich zu funktionieren.

Du hast richtig erkannt, dass man den Guckkasten bei Nichtgebrauch zusammenschieben und platzsparend aufbewahren kann. Am Hintergrundteil ist zum Verschließen des "Umschlags" eigens eine Lasche vorgesehen. Ich werde allerdings auf diese Möglichkeit verzichten und den Schaukasten im entfalteten Zustand belassen und wohl auch fixieren. Flache Baubögen habe ich noch genug.

Herzliche Grüße
Andreas

Tja, die schöne, neue Digitalwelt, Andreas! Irgendwie und irgendwas geht offenbar, aber die Sache ist sehr fehleranfällig und wenig erfreulich. Mein neuer PC ging zur Reparatur und bekam eine noch neuere Software aufgespielt. Die fühlte sich natürlich schon wieder komplett anders an als ihre Vorgängerin. Und dann dauerte es zwei Tage, bis ich all die Programme, die ich benötige, vom Netz heruntergeladen und zum Laufen gebracht hatte. Wie ich z.B. eine CD-ROM brenne, ist immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, und wenn es funktioniert, dann war es Zufall... Anleitungen gibt es selbstverständlich nicht und ich war schon Dauergast in diversen Kunden-Hotlines. Ach, es ist eine lange Geschichte und gehört gar nicht hierher. Aber irgendwo muss ich meinen Frust ja abladen. Liebe Grüße Michael (maxl)

Hallo Andreas,
vielen Dank für die Vorstellung von dem Guckkästchen.
Haber mir schon vor einiger Zeit solche fertige Guckkästchen von meiner Stadt Nürnberg gekauft.
Vom VKA-Verlag gibt es jede Menge verschiedene Motive, der Link dazu.

Code:

https://www.vka-verlag.de/Shop/

Auch Papiertheater gibt es, Link dazu

Code:

https://www.papier-theater.de/

Bin gespannt wie Du den Guckkasten weiter aufbauen wirst, wünsche Dir dazu gutes Gelingen.

Gruß Helmut

Hallo Helmut,

schönen Dank für die Links. Da sind ja wirklich viele interssante Krippen dabei. Diese sind ja nochmal ein ganz eigenes und sehr vielfältiges Thema.
Papiertheater finde ich sehr faszinierend, obwohl ich gestehen muss, noch keine Aufführung damit erlebt zu haben.
Ist es nicht erstaunlich, welche Wirkung diese Guckkastenbilder und Papiertheater auf einen ausüben können? Aus flachen, hintereinander angeordneten Elementen entwickelt sich eine eigene, kleine Welt, die den Betrachter förmlich hineinzieht. Ich bin auch mal gespannt, wie mein kleines Projekt nach der Fertigstellung wirkt. Ich muss nur noch das letzte Bild fertig ausschnippeln, dann kann es endlich an den Zusammenbau gehen.


Hallo Michael,

Deinen Frust über die Bockigkeit dieser Technik darfst Du gerne bei mir abladen. Du findest mein vollstes Verständnis.

Schöne Grüße
Andreas

Hallo miteinander,

kurz vor knapp, morgen ist völlig überraschend schon Heiligabend. Also fix weiter gemacht!

Das letzte Bild ist nun auch ausgeschnitten:








Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen, die Bilder übereinader zu legen, um als Belohnung nach der mühsamen Schnippelei einen ersten Eindruck zu bekommen:




Kanten zu färben, ist beim ordentlichen Kartonmodellbauer einfach ein Reflex. Ohne geht es nicht. Allerdings wollte ich die vorigen Hinweise von Jörg nicht unbeachtet lassen. Ich entschied mich dafür, mit einem weichen Bleistift (2B) die weissen Schnittkanten, die mich doch sehr störten, zu "entschärfen". Hier einmmal vor



und einmal nach teilweiser Behandlung (rechte Seite):




Nachdem sämtliche Schnittkanten mit dem Bleistift abgefahren waren, ging endlich die Montage des Guckkasten los:








Da ich den Kasten nicht faltbar bauen wollte, wurde die überflüssige Umschlaglasche entfernt:



...

Auf den Boden kamen Klebelaschen aus Tonkarton, um den einzelnen Bildebenen mehr Halt zu verleihen:




Danach wurden diese von hinten nach vorne montiert. Wichti: Richtige Reiehnfolge beachten.






Der erste Eindruck bzw. Blick in den Guckkasten ist schon mal nicht schlecht:




Das Anbringen der seitlichen "Faltenbälge" erwies sich ziemlich mühsam. Besser wäre es auch gewesen, ich hätte vorher die Bodenplatte nochmal richtig verstärkt und gerade gemacht. Naja, wie immer zu wenig Zeit...




Und nach Anbringen des titelgebenden Schildes war der Guckkasten auch schon fertig. Nachbesserungen erfolgen nach der Weihnachtszeit.




...

Den Guckkasten zu fotografieren, war nicht so ganz einfach. Ich habe mal ein bißchen probiert, hier das Ergebnis:






















Mit diesen Bildern ist dieser Baubericht auch schon beendet. Mir hat der Bau dieses etwas anderen Modells viel Freude gemacht.

Schöne Grüße
Andreas

Hallo Andreas,
auch hier habe ich die ganze Zeit mit zugesehen. Top geworden. Eine Super Fleißarbeit.

Die Fotos sind auch schon sehr eindrucksvoll und lassen das Gesamtbild erkennen, was "in natura" mit Sicherheit noch besser zur Geltung kommt. Aber das kennen wir ja.

Danke für den ausführlichen Bericht. Hat wieder mal Freude gemacht.

Gruß  Ulrich

Wirkt toll, Andreas ... je nach Fokus und Lichteinfall hat man einen sehr schönen Eindruck
der räumlichen Wirkung ... eben genau so, wie das vorgesehen war und ist! 

Wobei mir persönlich dieses Bild die Raumwirkung am besten wiederzugeben scheint ...  




Gruß - Jörg -

Hallo Ulrich, hallo Jörg,

vielen Dank!

Es ist wirklich erstaunlich, welche Tiefenwirkung durch flache, hintereinander gestellte Kulissen erreicht werden kann. Bei den historischen Bastelbögen gehören solche Elemente, z.B. Staffage-Figuren und anderes häufig mit dazu.
Ich hatte mal während einer Sonderausstellung 2008 im Bonner "Haus der Geschichte" die Gelegenheit, Modelle von Bühnenbildentwürfen für Opern von Vicco von Bülow alias Loriot zu sehen. Die fand ich sehr faszinierend.

Schöne Grüße
Andreas

Hallo Andreas,
durch die Staffelung der einzelnen Szenen bekommt das Bild eine plastischen 3D-Effekt.
Somit ist bei einer seitlichen Betrachtung die räumlichen Wirkung sehr gut zu sehen.
Auch die Beleuchtung von oben verstärkt den räumlichen Aufbau wie bei einer Theaterbühne..
Vielen Dank für den Baubericht, hat mir sehr gut gefallen.

Gruß Helmut

Hallo Andreas - ich bin wieder da, sprich: zurück aus den USA, dem Land von Trump-Karrenbauer (oder bring ich da etwas durcheinander?). Dein Guckkastenbild gefällt mir sehr! Die räumliche Wirkung lässt sich mit einer Kamera leider nicht einfangen. Der ständige Perspektivwechsel setzt ja das "wandernde Auge" voraus, aber vorstellen kann ich mir die reale Wirkung sehr gut! Beim Kantenfärben hast du einen guten Kompromiss gefunden. Und die Sauberkeit der Ausführung ist beeindruckend, auch wenn du dein Licht gerne unter den Scheffel stellst. Meine ganz herzliche Gratulation zu dieser schönen Arbeit! Gruß Michael

Moin Andreas,
bei Deinem nostalgischen Winterthema geht mir das Herz auf.
Wir hatten schon lange keine zugefrorenen Seen mehr.
Vielen für das Zeigen.

Hallo Helmut und Michael,

Euch beiden einen leider sehr verspäteten Dank für Eure lieben Worte. Meine Güte, wie schnell doch die Zeit vergeht...


Hallo Thomas,

es freut mich sehr, dass Dir dieses Altertümchen so zusagt. Ich finde es auch sehr stimmungsvoll. Es zeigt gewissermaßen einen Wintertraum. Mal abwarten, ob die Seen in diesem Winter nicht doch noch zufrieren.

Schöne Grüße
Andreas