Mehrfachtraktion bei Dampfloks - wie geht das?

Hallo Eisenbahnexperten,

Uwes wunderbare Dampflokbilder haben bei mir wieder die Frage aufgeworfen, wie die Sache mit der Doppel- oder Mehrfachtraktion überhaupt funktionieren kann. Dampfloks werden schließlich von Hand gesteuert, eine wie auch immer geartete Fernsteuerung scheidet aus.
Würde mich sehr freuen, wenn mir einer die Sache erklären könnte. Danke!

Schöne Grüße
Andreas

@AndreAS. "Die Fernsteuerung" ist das Gehör und die ruhige Hand am Dampfregler.
Ok, ok, ihr Experten auch mal die Dampfpfeife als Anfahrsignal.

Einfach und prägnant erklärt Wolfgang
Ist wirklich so - Gehör (durchdrehende Kurbelstangen waren vielfach der Grund zum Stangenbruch) und das "Befolgen" der (natürlich vorgeschriebenen) Signale.
("Signale für das Zugpersonal" (DV 301))
Auf allen Maschinen müssen dabei kpl. Personale sein - sprich Lokführer + Heizer. Das wurde dann auch bei Altbau-Ellok so praktiziert, habe das in Geislingen an der Steige mehrfach noch erleben dürfen..

Hallo Wolfgang und Frank,

so "einfach" geht das also? Quasi gute, alte Bio-Analog-Steuerung.
Nun, so etwas in der Art hatte ich mir schon gedacht, aber dennoch: Respekt vor dem Können der "Meister"!
Das, was heute als komplizierte Steuerungselektronik verbaut ist, mussten sich die Männer auf den Maschinen von der Pieke auf jahrelang erarbeiten.

Danke für die Aufklärung!

Schöne Grüße
Andreas

Hallo Andreas,

ziehe dir mal die 44er-Saga von RioGrande zu Gemüte.

Speziell "44 1093 - 2.000 Tonnen und 3 Jumbos"

Da wird die Anfahrt mit einem 2.000 Tonnen-Zug auf der Steigung mit DREI 44ern simuliert.


HEUTE hat man natürlich auch noch Funk an Bord.
Wie von den anderen beschrieben braucht man bei allen alten Maschinen Feingefühl.
Das kennen die "Jungspunte Knöpfchendrücker" heute gar nicht mehr.

Guckst und hörst Du Andreas

Code:

https://youtu.be/6DV3wUdcCtA?t=2m16s

Nicht ganz einfach das Spielchen...

Code:

https://youtu.be/U3XQomB-d98?t=38s

Oh Mann, die armen Heizer!
... und ich bin wieder total angefixt...

Der Heizer ist das kleinste Licht bei der Geschichte. Der Meister am Regler muss der Könner und "Versteher" sein. Ist fast wie bei Frauen...

... nach soviel "Museums-Eisenbahn" hier noch zwei Links wie es damals wirklich war "im Emsland": Doppeltraktionen des "Langen Heinrichs", ein 4.000t-Erz Gag von Emden (Erzhafen) nach Rheine (dann nach Tfz-Wechsel weiter nach Dortmund-Hörde, Duisburg-Hamborn oder Dillingen (Saar)).

Code:

https://www.youtube.com/watch?v=B1TUhTeRg3o

Code:

https://www.youtube.com/watch?v=UiDVRHYvbUs

Nur wer damals dabei war kann sagen wie es sich angefühlt hat.

Glücklicherweise wurden die loks öl gefeuert. Sonst hatten die Heizer es nie geschaft.
Ich habe ein weilchen her mal berechnet wieviel tonnen auf der kreutzkopf ausgelegt werden: knap 38 tonnen pro zilinder mit 16 bar, vol geöffeneter regler. mit drei zilinder wird eben auch noch ein regelmäßiges drehmoment bekommen. Wer sagt das dampf aus ist...
Eine 43er, also die 2 zilinder variante, wurde versuchsweise belastet mit einen zug von 5000(!) Tonnen, was sie auch bewältichte

Guten Morgen Stefan,
Doppeltraktion oder Vorspann, ein nie endendes Thema. Aber viele Modellbahner (und auch jüngere Eisenbahner) verwechseln da zwei Dinge:
Dampflokomotiven sind NIE als Doppel- oder Mehrfachtraktion gefahren. immer nur im Vorspann. Mehrfachtraktion bedeutet, dass zwei oder mehr Lokomotiven von einem Fahrstand aus bedient werden. Zwei Dampflokomotiven vor einem Zug bedeutete zwei von einander völlig unabhängige Maschinen. Ob die Zugkräfte richtig verteilt waren lag vollkommen in den Händen der Lokführer.

Heute sind alle Lokomotiven mehrfachtraktonsfähig (ausgenommen einige Museumsfahrzeuge). Bei der DB AG ist i.d.R. nur Doppeltraktion bei schweren Gag-Zügen zulässig. In der Schweiz habe ich von 30 Jahren auf der Gotthard-Rampe Güterzüge gesehen mit 2 Loks vorn und nach 15 ... 20 Güterwagen eine weitere Lok. Erstere fuhren in Doppeltraktion die mittleren Loks autonom als "Traktionshilfen". Bei den US-Bahnen im südlichen Alabama habe ich in den 70er-Jahren Vierfachtraktionen gesehen. Ok, die Zügen waren auch "etwas" länger wie hier bei uns in Europa ... dafür aber auch deutlich langsamer. Durch die Stadt ging mit ca. 10 km/h und Überland mit 50 ... 60 km/h (ein US-Truck hat mich dagegen auf einer Interstate mit über 100 mph überholt, bei erlaubten 55 mph.

By-the-way: Der 4.000t-Erz Gag von Emden nach Rheine (Langer Heinrich) wurde in unterschiedlicher Form gefahren:
- BR 44 (Kohle) + BR 44 (Kohle)
- BR 44 (Öl) + BR 44 (Öl)
- BR 44 (Öl) + BR 44 (Kohle)
- BR 41 (Öl) + BR 44 (Kohle)
- BR 41 (Kohle) + BR 44 (Kohle)
- BR 44 (Öl) + BR 41 (Öl)
- ...
... aber bei unterschiedlicher Feuerung, war stets die Öl-Lok vorn (meine Beobachtung).

So, und nun geht´s an meiner BR 74 weiter.

Hallo Wolfgang

Das es doch noch mit kohlefeuerung geschah, da verstumme ich. Armer heizer. Ich muss irgent woh etwas falsch verstanden haben, weil auf einen documentarfilm nur mein angegebene feuerführung benutzt wurde mit dehn 4000er. Aber es könnte einen ihrtum im documentar sein, es kommt mal vor. Ich muss noch mal nachsehen.

Aber wenn Du, so zu sagen, mit der nase draufstandst, ist keine wiederspruch nötich.

Bitte schau Deine 74-er wegent der "umbau im ausbesserungwerkstat" Ich habe Deine umbau im "bauberichte" schon beobachtet

Ist auch schön anzusehen, Dreifachtraktion BR 01:

Code:

https://www.youtube.com/watch?v=mfu1SvcoFyQ

Viel Spass beim ansehen.
Gruß Dietmar

Hallo Andreas - zur Frage, wie gut Lokomotiven aufeinander abgestimmt sein müssen, wenn sie gemeinsam einen Zug ziehen, fällt mir zur Veranschaulichung das Tauziehen ein: Auch wenn die Mannschaft auf einer Seite nicht optimal harmoniert, entstehen ganz ordentliche Zugkräfte. Gewinnen wird aber die Truppe, die (in etwa gleiche Kräfte auf beiden Seiten vorausgesetzt) ihr Potential am besten aufeinander abstimmt. Übertragen auf die Lokomotiven: "Suboptimale" Abstimmung bringt den Zug zwar auch vorwärts, aber die Kunst besteht natürlich darin, die Kräfte aller ziehenden Lokomotiven bestmöglich aufeinander abzustimmen und damit optimal zu entfalten. Gleiches gilt ja z.B. auch für Elektrolokomotiven mit mehr als einem Motor. Die bleiben ja auch nicht stehen, nur weil die Motoren nicht ganz genau die gleichen Kräfte auf die Schiene bringen. Soweit meine Überlegungen zum Thema...  Und liebe Grüße! Michael (maxl)

@Dietmar: Ich habe mir eben das Video mir dem "Doppelvorspann" (3x BR 01) angesehen. Da kamen mir die Bilder aus 1975 ... 76 vor Augen, geschehen im Bereich der BD Köln.
Ein Sonderzug (zum Dampfende in der BD Köln ???) sollte von Köln Hbf über die Eifelbahn nach Trier Hbf fahren. Der Zug bestand aus 12 ... 13 schweren D-Zugwagen und vollbesetzt. Als Zuglok sollte die 01 1100 dienen. Laut Ohrenzeugen soll das Personal auf Vorspann oder Diesel-Schub ausdrücklich verzichtet haben: "Unsere 1100 schafft das schon."
Ich erwartete den Zug bei der kleinen Ortschaft Strempt auf der Rampe zwischen Mechernich und Kaller Tunnel. Ziemlich pünktlich hörte ich den Zug kömmen. Warum er im Bahnhof Mechernich halten mußte weiß ich nicht, es war jedenfalls kein planmäßiger Halt vorgesehen. Auf der Strecke habe ich früher Panzerzüge gesehen, gezogen von zwei BR 44 oder zwei BR 50, die langsam aber sicher die Rampe erklommen.
Doch zurück zum Sonderzug. Nach der Ausfahrt Mechernich Bf beginnt schon die Rampe. Die letzten Bahnhofs-Weichen liegen schon in einem "engen" 90°-Linksbogen, der in eine ca. 4km-Grade bis Strempt übergeht, danach kommt noch ein Rechtsbogen bis zum Tunnel Kall. Danach geht´s durch den Tunnel abwärts bis zum Bf Kall. Die 01 1100 muß also ihren Sonderzug durch den Bogen hin zur Rampe beschleunigen. Von Bf Mechernich bis zu meinem Standpunkt sind es rund 4 1/2 km. Das 3-Zylinder-Triebwerk arbeitet bis an die Leistungsgrenze. Ähnliches habe ich nur bei der Ausfahrt Emden Rbf gehört, wenn ein "langer Heinrich" mit zwei BR 44 auf die Stecke ging.
Im Schritttempo zieht die Lok den Zug auf das grade Stück der Rampe. Von wirklicher Beschleunigung kann keine Rede sein, das Triebwerk ächzt unter der Last. Schier endlos scheinen die 4km zu sein. Ich mache meine Minolta schußbereit, überprüfe noch einmal Entfernungsmesser und Belichtung. Da biegt die 01 1100 in den Bogen zum Tunnel ein .... und schleudert. Der Meister macht den Regler zu und fährt neu an ... die Maschine schleudert, hat kaum noch Fahrt. Nach zwei weiteren Anfahrversuchen gibt der Lokführer auf. Die Lok steht etwa 30 ... 40m von mir und köchelt vor sich hin. Strempt ist gleichzeitig auch ein Block und hat demnach ein Telefon.
Der Heizer läuft die 100m zurück zum Telefon und telefoniert, wie sich später zeigt mit dem Bw Köln Hbf. Eine Stunde tut sich garnichts, die Strecke ist dicht. Dann plötzlich ist in der Ferne ein Brummen zu hören, das schnell näher kommt. Das Bw Köln-Nippes hat eine BR215 geschickt als Schiebelok. Dampfgekocht hat die 01 1100 genügend, zwischenzeitlich gingen sogar einmal die "Ackermänner" auf. Behutsam setzt sich die BR 215 hinten an den Zug. Ein Pfiff und die Antwort vom Diesel und langsam setzt sich der Zug - ohne zu schleudern - wieder in Bewegung. Bis zum Tunnel sind es nur 400 m dann kommt für längere Zeit etwas Gefälle. Der Zug verschwindet im Tunnel, eine letzte Dampf- und Rauchfahne ... Da wird mir bewusst, dass ich vollkommen vergessen hatte auf den Auslöser zu drücken. Die BR 215 blieb bis Trier am Zug, wie man später lesen konnte - sicher ist sicher. Ein Kollege hat das Ganze als Audio-Aufnahme auf sein Tonband gebannt. Irgendwo im www-Netz hatte ich das mal gefunden.
Die Zeiten von Dampf und BR215 sind auf der Eifelbahn vorbei, auch die Zeit der lokbespannten Züge, moderne Triebwagen beherrschen das Bild.
Aber, wenn ich die Augen schließe höre ich noch immer die keuchende 01 1100 ...

maxl schrieb:zur Frage, wie gut Lokomotiven aufeinander abgestimmt sein müssen, wenn sie gemeinsam einen Zug ziehen

's darf halt nicht schleudern... Ein Gefühl für seine Maschine muss man schon haben!



Heute braucht man "nur" den Hebel drücken, den Rest macht die Elektronik unter sich...

Na klar, Tommy, Gefühl braucht's schon, das lässt sich denken! Die Frage war ja - glaub ich - eher so zu verstehen, ob es einer hundertprozentigen Harmonie der Antriebe in Drehzahl und Leistung bedarf, um den Zug in Bewegung zu setzen. Und da ist die Physik zum Glück großzügig und addiert einfach auch unterschiedliche Kräfte, wenn sie denn in die gleiche Richtung wirken... Gruß Michael (maxl)

Hallo Michael, du hast Recht. Sofern ich mich noch an meinen Physikunterricht erinnern kann, unterschiedlich Kräfte in der gleichen Richtung addieren sich. Gruß pruys